Situation im Dorf
Alle wehrfähigen Männer waren im Krieg, viele von ihnen gefallen (insgesamt 28). Jugendliche bis zum Geburtsjahrgang 1928/29 waren zu Schnellausbildung oder zu Schanzarbeiten am Westwall einberufen. Im Dorf waren außer Frauen und Kindern nur alte Männer und Jungen unter 17 Jahren anzutreffen.
Daneben gab es viele Flüchtlingsfamilien, die verwandtschaftliche oder freundschaftliche Beziehungen zu Bell hatten, und in den Großstädten ausgebombt waren - ein Großteil kam aus Koblenz. Zum Teil wurden die Familien aber auch von der Amtsverwaltung in Kastellaun in die Dörfer eingewiesen nach einem bestimmten Schlüssel. (Eine handschriftliche Namensliste befindet sich bei den inoffiziellen Aufzeichnungen des damaligen Ortsvorstehers, jedoch ohne Datumsangabe und ohne Gewähr der Vollständigkeit).
In den letzten Kriegsmonaten kamen weitere Flüchtlinge aus dem Gebiet der Westfront, von der Obermosel, aus dem Saargebiet (Orte wie Beesch und Trassem wurden evakuiert).Die Zahl dieser Flüchtlinge läßt sich nicht mehr ermitteln. Diese Familien wurden auf die ortsansässigen Familien verteilt, z.T. auseinandergerissen, weil die Aufnahmekapazität in den Häusern sehr begrenzt war. Pfarrsaal und Rathaus waren ebenfalls belegt. Einige Familien kamen mit Pferdefuhrwerken und ihrer beweglichen Habe. Die Pferde mußten natürlich auch untergebracht und gefüttert werden. Andere kamen per Bahn nur mit dem, was sie in Koffern tragen konnten.
Im Haus Fey, Dierichs, waren 4 Personen aus Trassem (Vater, Mutter, 2 erwachsene Töchter) in 2 Zimmern untergebracht zu dem eigenen 7-Personen-Haushalt.
Des weiteren gab es Kriegsgefangene Polen, Franzosen und Ukrainer, die zur Arbeit in der Landwirtschaft geschickt worden waren.(Es existiert eine handschriftliche Liste mit Namen der Gefangenen und Zivilarbeiter sowie der Bauern, bei denen sie eingesetzt waren, bei den Unterlagen des damaligen Ortsvorstehers.)
Die polnischen Kriegsgefangenen kamen im Juli 1940 und waren zunächst an Bouerams, einem zu einem Lager umfunktionierten Bauernhaus, untergebracht. Als dann im August 1940 die französischen Kriegsgefangenen kamen, wurden die Polen zu „Zivilgefangenen“ erklärt, aus dem Lager ausquartiert und den einzelnen Familien zugewiesen. Es gab aber auch einige freiwillige Arbeiter. Ein Fall ist bekannt, wo ein junger Pole für seinen kriegsgefangenen Cousin nach Bell kam, damit dieser in die Heimat zu seiner Familie zurückkehren konnte. Die Franzosen blieben die ganze Zeit ihres Aufenthaltes im Lager. Bei ihnen bestand eine größere Fluchtgefahr wegen der Nähe zur Grenze. Einem französischen Gefangenen, der an Rechermäiersch gearbeitet hat, ist tatsächlich die Flucht gelungen. Er meldete sich später einmal schriftlich von zu Hause aus bei seinen Arbeitgebern. Die Franzosen wurden auch nicht wie die Polen und Ukrainer zu Schanzarbeiten am Westwall abkommandiert wegen der Fluchtgefahr.
Die dritte Gruppe waren Ukrainer, die im April 1942 kamen. Sie hatten einen besonderen Status, waren keine Kriegsgefangenen, es waren Männer und Frauen, z.T. erst 14 Jahre alt. Einige von ihnen waren wohl zwangsverpflichtet, andere wurden nach eigenen Aussagen freiwillig von den Eltern mitgeschickt, weil es angeblich in Deutschland mehr zu essen gab als in ihrer vom Krieg zerstörten Heimat. Die Ukrainer wohnten von Anfang an in den Familien. Im Grunde hatten alle Gefangenen und Zivilarbeiter Familienanschluß, was natürlich nicht sein durfte. Z.B. wurde von Wachmännern und deren Vorgesetzten oder Parteifunktionären häufiger kontrolliert, ob die Gefangenen auch nicht mit der Familie am Tisch aßen. Die Franzosen empfanden ihre Bewacher als sehr unterschiedlich streng. Albert Weckmüller aus Wohnroth war als humaner, freundlicher Bewacher bekannt.
Kurz vor Einmarsch der Amerikaner sollten die Franzosen noch über den Rhein gebracht werden. Der Wachmann, der die Gruppe begleitete, ließ sie jedoch laufen. Sie kamen zurück und versteckten sich in Scheunen im Dorf und im Wohnrother Tal im Wald bis zum Einmarsch der Amerikaner. Versorgt wurden sie von den Familien, bei denen sie gearbeitet hatten. Danach waren sie frei und konnten nach Hause zurückkehren. Sie verließen Bell am 19. 3. 45. Viele von ihnen stellten den Familien, bei denen sie gearbeitet hatten Zeugnisse aus, die bestätigten, daß sie sehr gut behandelt worden waren. Die Zeugnisse konnten dann den Siegern vorgelegt werden.
Die Ukrainer wurden am 21. 3. 45 in Kastellaun in einem Sammellager auf Dorrebruch versammelt und abtransportiert, zunächst einmal in die Eifel, von wo aus einige noch einmal nach Bell zu Besuch kamen. Ob die Polen ebenfalls in einem Lager, vielleicht mit den Ukrainern, versammelt wurden, läßt sich nicht mehr feststellen.