Die alten Männer, die nicht mehr zum Frontdienst eingezogen worden waren, sowie die Jungen gehörten dem Volkssturm an. Ihre Aufgabe war es, die „Heimatfront“ zu verteidigen. Ihr lokaler Anführer war der Ortsbauernführer Peter Junker (Ansepeerersch). Der Führer für die Region war Wilhelm Schmitt aus Leideneck. Die Ausrüstung bestand zumindest aus einem Gewehr (vielleicht waren es auch zwei oder drei), wenig dazugehöriger Munition und einigen Panzerfäusten.
Sonntags vormittags traf sich der Volksturm zu seinen Übungen. Auf dem Rathaus wurde das Gewehr auseinandergenommen, in seine Einzelteile zerlegt, gereinigt und wieder zusammengesetzt. Das mußte der jüngste Junge - in diesem Fall Friedrich Schneider (Häse) - tun. Anschließend wurde im Brühl exerziert. Das muß den alten Männern, meist aktive Teilnehmer am ersten Weltkrieg, kindisch vorgekommen sein. Es wird berichtet, daß Wilhelm Schmoll (Geznickels) einmal einen Stock, der als Markierung des Grenzsteins diente, ausriß, ihn wie ein Gewehr anlegte, auf seine Kameraden zielte und „Bum“ schrie. Dann rannte er mit seinem Stock Richtung Dorf. Im Hufeld wurden ebenfalls Zielübungen abgehalten. Dafür wurden Bohnenstangen zu einer Art Ständer zusammengebunden. Über der Abbindung wurde ein Sandsack zwischen die Stangen gesteckt. Dieser diente als Auflage für das Gewehr, mit dem nun Zielübungen durchgeführt wurden. Geschossen durfte nicht werden! Einmal, um die Munition für einen Ernstfall - welchen auch immer - zu sparen, andererseits, um die ständig kreisenden Aufklärungsflugzeuge nicht anzulocken. Einmal hat es einen Vorfall gegeben, der ein Nachspiel haben sollte. Ein Volkssturmmann, ein aktiver Teilnehmer am 1. Weltkrieg, der Gewehr und Munition für die Wachgänge verwahrte, feuerte einen scharfen Schuß ab, während W. Schmitt zum Austreten gegangen war. Schmitt wollte ihn anzeigen, was fatale Folgen gehabt hätte, denn auf Sabotage stand eine harte Strafe. Es bedurfte der eindrücklichen Fürsprache der anderen Männer, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen.
Eine Aufgabe des Volkssturms bestand darin, während der letzten Kriegsmonate Wachgänge durchzuführen. In den Abend- bzw. Nachtstunden gingen Doppelstreifen um das Dorf herum und durch das Dorf. Ein alter Mann und ein Junge gingen zusammen. Der Zweck dieser Wachgänge war es, geflohene Gefangene, desertierte Soldaten oder die abgesprungene Besatzung alliierter Flieger aufzuspüren und zu fangen. Es wird von keinem einzigen Fall berichtet, bei dem es zu einer Festnahme durch den Volkssturm gekommen wäre. Außerdem sollten Brandplättchen, die von feindlichen Flugzeugen regelmäßig abgeworfen wurden, aufgespürt werden, um Brände im Dorf zu verhindern.
Im November/Dezember 1944 mußten die Dorfbewohner, vor allem der Volkssturm, an drei Zufahrtswegen Panzersperren errichten, und zwar im Oberdorf zwischen Kirchhofsmauer und Lehnerts Haus, am Ortsausgang zum Marktplatz an Nahlschmieds Haus und am Ortsausgang nach Wohnroth/Krastel an Bosdavids Haus. Die schweren Stämme mußte Friedr. Schneider aus dem Wald, dem Schlag „Baamgart“ anfahren. Auf beiden Seiten der Straße wurden Stämme senkrecht in den Boden eingerammt zu einem Block mit einer Grundfläche von ca. 1qm. In der Höhe von ca. 1 m wurde ein Auflager für die Querstämme, die die Panzer aufhalten sollten, geschaffen. Die Sperren, die tatsächlich kein Hindernis für die amerikanischen Panzer bedeutet hätten, wurden beim Einmarsch der Truppen nicht geschlossen.
Die jungen Burschen, Jahrgänge 1928/29, mußten während ihrer HJ-Zeit sonntags zur paramilitärischen Ausbildung nach Kastellaun zu einer überörtlichen HJ-Gruppe. Sie wurden in den Arbeitsdienst gesteckt oder ab 1943 für einige Wochen an den Westwall (an der Saar oder in der Eifel) zu Schanzarbeiten geschickt. Zwischendurch kamen sie für jeweils eine Woche in Ausbildungslager (Burg Stahleck, Rheinböllen, Laubach) zu paramilitärischer Ausbildung. Zum Schluß stand einigen von ihnen der Stellungsbefehl ins Haus. K.H. Hartmann (Vogts) wurde zu einem Sammellager nach Bad Breisig transportiert, von wo aus die Jugendlichen in der Nacht über den Rhein gebracht wurden. Von dort aus konnten sie den Einmarsch der Amerikaner in Bad Breisig sehen und sich im Zuge der allgemeinen Auflösung in Richtung Heimat absetzen. Auf abenteuerliche Weise, mit Fuhrwerken, Armeelastern und Eisenbahn kam er 2 Tage vor Einmarsch der Amerikaner nachts in Bell an und durfte sich zunächst nicht sehen lassen, wegen der Gefahr, aufgegriffen zu werden. Bei Fr. Schneider (Häse), der von einsichtigen Ausbildern von der Burg Stahleck aus nach Hause geschickt worden war, lag der Gestellungsbefehl auf dem Tisch. Für ihn erwirkte seine Mutter von der im Nachbarhaus einquartierten Feldgendarmerie eine Freistellung, weil sie niemanden hatte, der ihr Pferd versorgen konnte. Das Pferd war für die Gendarmerie wahrlich ein guter Grund, Fr. Schneider zu Hause zu lassen. Er wurde in den letzten Wochen vor Einmarsch der Amerikaner zu verschiedenen Fahrten eingesetzt, in Fällen, wo Armeefahrzeuge liegengeblieben oder nicht mehr zur Verfügung waren. So mußte er Tanks mit kriegswichtigem Öl in den Löffelscheider Fichten von einem liegegengebliebenen Militärlastwagen abholen und im Beller Stierstall lagern. Das Öl wurde von einer Feldbäckerei, die neben dem Stierstall in Neumanns Hof unter dem Nußbaum stand, zum Feuern gebraucht. Bekleidung und Schuhe, die er aufgladen hatte mußte er in die Schule bringen, milit. Gerät von Strimmig nach Sauerbrunnen, Munition von einer Stellung zu einer anderen transportieren. Eine kleine Anekdote am Rande:
Beim Schuhtransport hatte er das Fenster im Schulsaal offen gelassen. In der Nacht stieg er dort ein, um ein Paar Schuhe zu „organisieren“. Als er seine Beute jedoch bei Licht betrachtete, stellte er fest, daß er zwei linke Schuhe erwischt hatte!
In den letzten Wochen vor dem Einmarsch der Amerikaner wurden die Bauern des Dorfes mit Pferdefuhrwerken zwangsverpflichtet zu Munitionstransporten. Noch Anfang März 1945 brachten drei Pferdegespanne Wagenladungen voll Munition zum Rhein. Das eine Gespann wurde geführt von Franz Fey (Dierichs) und Alex, dem Polen von Geze, die jeweils ein Pferd stellten. Das zweite Fahrzeug wurde gefahren von Friedr. Schneider (Häse) und Peter Jakobs (Drehersch), ebenfalls mit je einem Pferd. Wer das dritte Gespann fuhr, ist nicht mehr zu ermitteln. Fest steht noch, daß der Ortsbauernführer die Wagen begleitete. Abends, bei Anbruch der Dunkelheit, wurden Munitionskisten im Tal zwischen Roth und Beltheim, die in einem Wald an einem Hang gelagert waren, aufgeladen. Zu dem Zug gesellten sich einige Rother Fahrzeuge. Die Fuhrwerke sollten nach St. Goar, von dort über den Rhein. Das genaue Ziel war nicht bekannt. Die Männer fuhren in der Nacht zunächst auf Nebenstraßen - eher Feldwegen - dann eine Strecke auf der Hunsrückhöhenstraße durch das Gründelbachtal nach St. Goar. Unterwegs brach an dem Wagen Schneider/Jakobs die Deichsel, weil Peter Jakobs die Bremse (Remm) in der falschen Richtung gedreht hatte, der Wagen zu schnell wurde und den Pferden in die Beine rollte. Friedr. Schneider lenkte die Pferde in eine Böschung, wobei die Deichsel brach. Rückwärts mußte der Wagen wieder herausgezogen werden. Das verbliebene Stück Deichsel wurde lose in die Halterung eingesteckt, so daß der Wagen kaum zu lenken war. Inzwischen waren die anderen Fahrzeuge weiter gefahren und erreichten im Morgengrauen St. Goar. Am Rheinufer stand schon eine lange Schlange von Fahrzeugen aus anderen Orten, die darauf warteten, mit der Fähre übergesetzt zu werden. Die Fähre konnte jeweils nur drei Pferdefuhrwerke transportieren, und entsprechend lange zog sich die Überfahrt hin. Der Nebel lichtete sich mit Sonnenaufgang, und die Gefahr, von „Jabos“ angegriffen zu werden, wurde zunehmend größer. Franz Fey und einige weitere Männer sprachen den alten Offizier, der die Überfahrt leitete, an und machten ihm den Vorschlag, die Munitionskisten an der Fähre auf Pontons umladen zu lassen und diese an die Fähre anzuhängen, sodaß die ganze Ladung mit einer Fahrt auf die andere Rheinseite transportiert werden könnte. Dort könne man dann Fahrzeuge für den Weitertransport requirieren. Der Offizier war einsichtig und ging auf den Vorschlag ein. In kürzester Zeit waren alle Fuhrwerke abgeladen, und der Rückweg wurde angetreten. Friedr. Schneider fuhr zu seinen Verwandten nach Hungenroth, wo er im Laufe des Tages die Deichsel reparieren ließ. Franz Fey blieb bei seinen Verwandten in Norath und wartete dort auf die Dunkelheit der nächsten Nacht. In dieser Nacht kamen beide Fuhrwerke wohlbehalten zu Hause an. Die Rother Bauern, die ihre Heimfahrt während des Tages durchführten, verloren zum Teil ihre Pferde durch Beschuß von Fliegern.