Komödianten
Komödianten gehörten zum Leben im Dorf in den zwanziger und dreißiger Jahren.
In den Wintermonaten erhielt das Dorf manchmal Besuch, der etwas Abwechslung in das tägliche Einerlei brachte.
Bewegte sich ein Pferdewagen über die Dorfstraße, der zwar wie ein Zigeunerwagen aussah, doch keine Zigeuner beförderte, dann riefen wir Kinder uns zu: „Die Dickeschieder kumme!“
Es war die Komödiantenfamilie Stumm aus Dickenschied, die von Dorf zu Dorf zog und Theaterstücke aufführte.
Sie suchten sich einen Platz für den Wohnwagen und eine Unterkunft für die Pferde. Bald darauf machten zwei junge Burschen ihre Runde durchs Dorf. Einer blies das Horn, der andere kündigte mit lauter Stimme die Vorstellungen an - nachmittags für Kinder, abends für Erwachsene. Unser altes Rathaus war als Spielort sehr geeignet, denn der Saal hatte eine kleine Bühne.
Frühzeitig saßen wir Schulkinder auf den Bänken und harrten gespannt der Dinge, die da kommen sollten.
Endlich wurde der Bühnenvorhang zur Seite geschoben. Das Stück hieß: „ Genoveva.“
Ganz intensiv erlebten wir das Spiel mit, bangten um Genoveva und den kleinen Schmerzensreich, freuten uns, daß die Hirschkuh ihn versorgte, haßten den bösen Golo. Welch eine Erleichterung, als der Gatte und Vater heimkehrte und wir feststellten: Ende gut - alles gut!
Begeistert zollten wir Beifall.
Die abendlichen Stücke für die Erwachsenen hießen: (soweit noch in Erinnerung)
• Der Nachtwächter von Berlin
• Die Teufelsmühle am Wienerberg
Der Eintritt für Kinder betrug damals 50 Pfennig und für Erwachsene 1 Mark!
Ungewöhnlich ist die Geschichte der Komödianten:
Stumm war ein Lehrerssohn aus Dickenschied.
Während seiner Militärzeit lernte er Trompete spielen. Als er nach der Militärzeit wieder nach Hause kam - er hinkte - heiratete er in eine Komödiantenfamilie aus Kirchberg ein. Der Mann war gestorben, die Witwe, die er heiratete, hatte mehrere Kinder. Die Gemeinde Kirchberg hatte die Familie, d.h. die Witwe mit 4 Kindern „brotlos“ nach Dickenschied abgeschoben. Dort standen die Wagen in der Nähe des Dorfes „auf der Schißbach“. Die Jungen aus Dickenschied halfen nun der Frau aus Mitleid, ihre Stücke in der Umgebung aufzuführen, so auch Peter Stumm. Er verlegte sich auf die Schauspielerei und führte das Unternehmen als Prinzipal weiter. Natürlich spielte er in allen Stücken die männliche Hauptrolle selbst. (Diese Geschichte wird beschrieben in: Maria Elisabeth Glasmann, „Tagebuch meines Lebens“).
Eine Tochter, Maria, ging in Bell zum Konfirmandenunterricht und wurde auch hier konfirmiert. Die Beller backten Kuchen und halfen das Fest ausrichten. Während der Zeit des Konfirmandenunterrichts stand ein Wohnwagen der Familie Stumm im Hof des Küsterhauses, in dem das Mädchen wohnte.
Ihr Bruder „Schang“ sorgte für die Belustigung der Kinder, indem er vor der Kirche den Handstand machte und auf den Händen lief.
DORA REINHART
Theaterspielen hatte in Bell aber auch bei den Einheimischen Tradition.
Es ist noch bekannt, daß schon vor der Jahrhundertwende die Dorfjugend Theater spielte. Bekannt ist, daß Emmels Kath. (Schwarzemmels) und der Vater von Louxe Willi in einem Stück, dessen Name nicht bekannt ist, die Hauptrollen spielten. Der Hauptdarsteller mußte singen: „Nach Angra Bekenna an Afrikas westlicher Küste -
dorthin zieht verzweifelt mein Sinn!“ Darauf antwortete Kath.: „Hannes, willst dou no Brasilie ziehe, wo däich die Schlange un die Affe krie’e“! (aus einem Gedicht von Joh. Peter Rottmann).
Der damalige Lehrer Schneider übte die Stücke mit der Jugend ein.
Nach dem I. Weltkrieg hielt der Beller „Unkelverein Zick-Zack“ die Theatertradition hoch.
Auch der Gesangverein und später der Sportverein spielten Theater.