Eine weitere Erzählung einer wahren Begebenheit aus dem Dorf:
Die Oma erinnert sich:
Ein kalter Wintertag. Im gemütlich warmen Wohnzimmer sitze ich am Fenster, mit einem Strickzeug beschäftigt. Draußen wirbeln Schneeflocken, langsam wächst die weiße Decke, und glitzernde, gläserne Eiszapfen am Dach runden das Bild der Winterlandschaft. Laut lachend und johlend tummeln sich die Kinder auf der Dorfstraße. Ich schaue hinaus, lege den Strickstrumpf zur Seite - Erinnerungen werden wach. Erinnerungen an die eigene Kindheit in den zwanziger Jahren. Und plötzlich steht längst Verschollenes und Vergessenes wieder sehr deutlich vor mir - so auch die Dämmerstunden mit meinem Großvater:
Kam ich an solch einem Wintertag gegen Abend nach Hause, müde vom Schlittenfahren im „Brühl“, so fand ich die Eltern im Stall beschäftigt, während die Großmutter in der Küche das Abendessen richtete. Großvater aber, der am frühen Nachmittag das Viehfutter vorbereitet hatte, saß bereits in der „Stuh“, der Wohnstube. Ich gesellte mich zu ihm. Der gußeiserne, zweistöckige Ofen verbreitete wohlige Wärme, laut knisterten die Buchenscheite. Durch den Ofenhals, der in die Küche mündete, schob mir die Großmutter eine Tasse heiße Milch zu, und für die kalten Füße gab es einen vorgewärmten Stein. Die Stube wurde nur spärlich erhellt durch die zuckenden, tanzenden Flammen, deren Widerschein durch den Ofenschieber drang. Aus Sparsamkeitsgründen schaltete man das elektrische Licht erst später, kurz vor dem Abendessen an. In der Ofenecke lud die alte Bankkiste zum Platznehmen ein. Kaum hatte ich es mir bequem gemacht, so bat ich: „Großvadder verziehl mer ebbes, verziehl vun frieher“.
Und er, der ein leidenschaftlicher „Priemer“ war, erhob sich aus seinem Lehnstuhl, ging gemächlichen Schrittes zum Fenster, spuckte seinen Priem aus und dann wurde erzählt.